Piercing (von engl. to pierce [pɪəs], „durchbohren, durchstechen“ über altfrz. percier und lat. pertundere, „durchstoßen, durchbrechen“) ist eine Form der Körpermodifikation, bei der Schmuck in Form von RingenHaut und das darunter liegende Fett- oder Knorpelgewebe eingefügt werden. oder Stäben an verschiedenen Stellen des menschlichen Körpers durch die
Die Profession des Piercings ist einer ständigen Weiterentwicklung unterworfen. Während eine Vielzahl an Piercings auf Jahrtausende alte Traditionen zurückgehen (Nostril-Piercing, Labret-Piercing, Apadravya etc.) die lediglich im westlichen Kulturkreis wiederentdeckt werden, sind andererseits in den letzten Jahren eine Vielzahl von Piercings (Lippenband-, Industrial- oder Nefertiti-Piercing) oder Techniken (Microdermals) neu erfunden worden.
Auch ist das Piercing Moden und Trends unterworfen. So waren die ersten Piercings, die in den 1990er Jahren eine breitere Masse ansprachen, Augenbrauen-, Zungen- und Bauchnabelpiercings, wobei die beiden ersten Varianten inzwischen eine geringere Nachfrage verzeichnen. Auch das von Steve Haworth in den 1990er Jahren erfundene Lippenbandpiercing wird heutzutage wieder seltener gestochen. Zur Zeit erfreuen sich der seitlich versetzte Labret, der Tragus, das Septumpiercing sowie das Dehnen der Ohrläppchen wachsender Beliebtheit.[6] Bei den Frauen stellt das aus dem Labret hervorgegangene Madonna-Piercing ein "Trendpiercing" dar, entsprechendes gilt für das Brustwarzenpiercing, welches durch viele Stars popularisiert wurde und momentan in den USA zu den am meisten nachgefragten Piercings gehört.[7][8]
Die zu piercende Körperstelle wird zunächst desinfiziert, um Infektionen zu vermeiden. Gegebenenfalls wird die Stelle zuvor auch von Haaren befreit. Der Ein- und Austrittspunkt des Stichkanals wird üblicherweise mit einem Stift markiert und mit einer Zange fixiert. Diese weist am Kopf zwei ringförmige Klemmen auf, durch welche die Piercingnadel auf der markierten Stelle angesetzt und hindurchgeführt werden kann. Meistens werden Piercings mit einem peripheren Venenkatheter gestochen. Hierbei ist die Nadel durch einen Plastik- oder Teflonüberzug geschützt. Nachdem die Nadel durch die Haut gestochen wurde, wird sie entfernt. Lediglich der Überzug verbleibt in dem Stichkanal. Mit Hilfe dieses Überzuges wird der Schmuck durch den Stichkanal gezogen.
Bei Ohren- oder Nostril-Piercings wird außerhalb von Piercingstudios, z.B. bei Juwelieren, meistens die Ohrlochpistole angewendet. Von seriösen Piercern wird dieses Verfahren allerdings abgelehnt, da dabei die Gefahr besteht, dass das Gewebe einreißt oder an Knorpelstellen splittert. Außerdem ist die Pistole nicht vollständig sterilisierbar. Zudem sind die hierbei verwendeten Ohrstecker für den Ersteinsatz ungeeignet.
Eine weitere Methode ist der sogenannte Dermal Punch. Dabei werden Gewebeteile mit einer Hohlnadel bis zu einem Durchmesser von acht Millimetern heraus gestanzt. Dieses wird vor allem angewendet, um größeren Schmuck in Knorpelgewebe einsetzten zu können. Weil hierbei Gewebe komplett entfernt und nicht verdrängt wird, heilen gepunchte Piercings besser, da der Schmuck weniger Druck ausübt.
Heilungsprozess
Da die Wunde eines neuen Piercings vom eingesetzten Schmuck offen gehalten wird, bildet sich während der Heilungsphase von außen nach innen ein Hautschlauch entlang des Stichkanals, der den Schmuck umschließt. Dabei wird zunächst nach der Gerinnung eventueller Blutungen die Durchblutung im umliegenden Gewebe gefördert, was in der ersten bis zweiten Woche häufig zu Rötung, Schwellung und Erwärmung führt. Blutgerinnsel werden durch abgesonderte Wundflüssigkeit heraus gespült. Bei einer Infektion kann es zum Austreten von bakterienbekämpfendem Leukozyten (Eiter) kommen.
Die Dauer des Heilungsprozesses ist abhängig von verschiedenen Faktoren wie Schmuckmaterial, Hygiene, Pflege und der durchstochenen Körperstelle sowie dem allgemeinen Gesundheitszustand und Alkohol- oder Nikotinkonsum. Einen Problemfaktor stellt die Reizung durch regelmäßige Bewegung oder Reibung dar, wonach sich zum Beispiel der Heilungsprozess eines Bauchnabelpiercings mit permanentem Kontakt zum Hosenbund oder ein Handweb zwischen den Fingern als besonders problematisch gestalten kann. Wird der Schmuck innerhalb der ersten Wochen nach dem Stechen gewechselt, kann der Heilprozess dadurch ebenfalls negativ beeinflusst werden und die Infektionsgefahr steigen.
Gesichtspiercings
Eskimo- und Nostril-Piercing
In den 1990er Jahren wurden besonders das Augenbrauenpiercing und das Labret-Piercing populär. Bei ersterem handelt es sich um ein Oberflächenpiercing, wobei es bei entsprechender Position und Schmuckwahl geringfügiger unter Spannung als klassische andere Oberflächenpiercings steht.
Das Labret-Piercing wird meistens zentriert mit einem Labret-Pin unterhalb der Lippe getragen. Auch nicht zentrierte, sondern seitlich platzierte Piercings sind möglich. Verläuft der Stichkanal senkrecht und tritt aus dem Lippenrot aus, spricht man auch von einem Eskimo.
Nostril-, Madonna und Septumpiercing
Analog zum klassischen Labret-Piercing handelt es sich bei einem Medusa-Piercing um einen zentrierten Stecker über der Oberlippe.
Das Madonna-Piercing wird meistens von Frauen getragen und ist seitlich oberhalb der Oberlippe positioniert. Optisch erinnert es an ein aufgemaltes Muttermal wie es beispielsweise von Madonna oder Marilyn Monroe getragen wurde.
Relativ selten findet sich das Wangenpiercing, für welches in der Regel ein Labret-Stecker verwendet wird. Die Austrittsstelle des Piercings liegt auf der Wange.
Mehrere spezielle Piercings sind auch an der Nase möglich. Vor allem etabliert hat sich dabei das Nostril-Piercing durch den Nasenflügel, das auch meistens gemeint ist, wenn von einem „Nasenring“ die Rede ist. Von der Hippie-Kultur wurde es erstmals aus Indien in den westlichen Kulturkreis übernommen.
In der Piercingszene ist jedoch das Septum-Piercing durch die Nasenscheidewand populärer. Es kann sowohl durch das Knorpelgewebe gestochen werden als auch unterhalb dessen verlaufen.
Zu den seltenen Varianten gehören der Nasallang, bei dem ein Barbell sowohl durch beide Nasenflügel als auch die Nasenscheidewand führt, und der Austin Bar durch die Knorpelkappe auf der Nasenspitze.
Das sogenannte Bridge Piercing verläuft durch den Nasenrücken, sitzt meistens waagerecht zwischen den Augen und muss aufgrund der dort verlaufenden Gesichtsnerven besonders vorsichtig gestochen werden.
Mögliche Probleme und Gefahren
Wird das Piercing nicht fachgerecht vorgenommen, kann es zu verschiedenen Komplikationen kommen. Wird es unter Einfluss von Koffein oder Alkohol und anderen Drogen, sowie blutverdünnenden Medikamenten gestochen, kann sowohl der Kreislauf als auch die Blutgerinnung beeinträchtigt werden. Bei allen Formen des Piercings kann es zu lokalen Schwellungen und leichten Blutungen kommen, die meistens nach einer Weile abklingen. Piercings durch den Ohrknorpel führen leicht zu Entzündungen. Beim Augenbrauenpiercing und beim Nasenflügelpiercing können Ausläufer des Trigeminusnervs getroffen werden. Unter Umständen kann ein Piercing zu einer Phlegmone führen.[16] Piercings im Dammbereich können bedingt durch längeres Sitzen auch dauerhafte Entzündungen verursachen.
Piercingschaden an den mittleren unteren Frontzähnen
Piercings im Mundbereich (Zunge, Lippe, Lippenbändchen) bergen ein hohes langfristiges Gefahrenpotential für Zähne und Zahnhalteapparat. Der Schmuckknopf eines Zungenpiercings führt relativ häufig zu Traumatisierungen der zungenwärts gelegenen Zahnhöcker, was zu Zahnfrakturen und Absterben des Zahnmarkes führen kann. Die innen gelegene Konterplatte von Lippenpiercings drückt bei ungünstiger Lokalisation bei jeder mimischen Bewegung auf das Zahnfleisch und den darunter liegenden sehr dünnen Alveolarknochen. Da Knochen auf Druckbelastung schwinden, kann es so zu Zahnlockerungen bis hin zum Zahnverlust kommen. Ähnliches gilt für Piercings des Lippenbändchens. Diese Probleme können dadurch umgangen werden, dass nicht-metallischer Schmuck, beispielsweise aus Acryl oder PTFE, verwendet wird.
Ein nicht vollständig abgeheiltes Intimpiercing erhöht, wie auch jede andere offene Wunde im Genitalbereich, die Gefahr einer Ansteckung mit sexuell übertragbaren Krankheiten, wie zum Beispiel Hepatitis B, Hepatitis C oder HIV. Beim Prinz-Albert-Piercing wird der Ring durch den Ausgang der Harnröhre zur unteren Seite der Eichel des Penis gezogen. Zu dünne Ringe bis etwa zwei Millimeter Materialstärke bergen die Gefahr des „Käseschneidereffekts“: bei mechanischer Belastung kann der Schmuck durch das Gewebe schneiden; das Piercing reißt aus, was zu einer Subinzision führt. Bei ausreichender Materialstärke kann ein Prinz Albert allerdings recht belastbar sein. Bei zu engen Ringen kann es zu Quetschungen kommen.
Vernarbung eines Oberflächenpiercings an der Schläfe
Unter Umständen können Piercings vom Körper abgewiesen werden, aus dem Bindegewebe herauswachsen und eine Narbenbildung verursachen. Besonders häufig passiert dies bei unter Spannung stehenden Oberflächenpiercings.
Häufig kommte es bei Piercinginfektionen zu einer spätzeitigen Behandlung, da die Patienten befürchten das Piercing bei einem Arztbesuch entfernt zu bekommen. Zudem wird diese Art des Körperschmucks von vielen Ärzten als vorsätzliche Körperbeschädigung abgelehnt, was bei den Patienten häufig Hemmungen vor einer Behandlung auslöst. In vielen Fällen wenden sie sich daher primär an das Piercingstudio statt einen Arzt aufzusuchen.[17]
Bei Temperaturen unter minus zehn Grad Celcius kann es bei offen getragenen Piercings aus Metallschmuck zu Erfrierungen kommen, da Metall sehr kalt werden kann und Wärme besser ableitet als organisches Gewebe. Hiervon sind insbesondere Piercings im Gesichtsbereich betroffen.